Die Kanarischen Inseln im Wandel

„Die Gesellschaft ist verdorben“, sagte ich letztens beim Kaffee zu einem Freund. Als ich vor zwei Wochen bei schönstem Wetter in Berlin im Straßencafé saß und daran dachte, was ich erst vor Kurzem gelesen hatte. Schon de Gaulles warnte, Vietnam sei ein verdorbenes Land und das die Amerikaner sich dort auf keinen Fall einmischen sollten. Ich habe die Nase voll! Mann kann einfach nichts mehr machen ohne Gefahr zu laufen, einen Strafzettel zu kassieren, eine Erlaubnis vorlegen zu müssen oder eine unangemessene Gebühr zu zahlen. Auch auf den kanarischen Inseln ist das mittlerweile so. Straßen wurden gebaut, um schnell und komfortabel von A nach B zu gelangen. Heute dienen sie nur noch den kilometerlangen Staus.

Wir dürfen während der Fahrt nicht telefonieren, müssen uns anschnallen und halten wir irgendwo länger als eine Minute, steht der freundliche Polizist und notiert schon mal das Kennzeichen. Wir dürfen nicht rauchen, nicht ohne Helm fahren, wohl bemerkt auf dem Fahrrad und sind in allen Bereichen total überreguliert. Ich warte auf die Vorschrift, demnächst auch mit Helm unter die Dusche gehen zu müssen. Man kann kein Unternehmen gründen, keines verkaufen, man kann nicht einmal jemanden einstellen, ohne übermäßige Auflagen und enorme Kosten zu ertragen und absurde Bescheinigungen vorzulegen. Die sozialen Anforderungen haben sich derart erhöht, dass es für viele besser ist, den Betrieb einzustellen oder ins Ausland abzuwandern. Die Arbeitnehmergesetze sind inzwischen dermaßen kompliziert, dass es einfacher ist, einen schlechten Arbeitnehmer zu ermorden als ihn zu entlassen.

Ich kann mich sehr wohl an Zeiten erinnern, da war Eigenverantwortung gefragt, ja sie wurde sogar gefördert. Wenn einem gekündigt wurde, rannte man nicht zum Anwalt und ließ sich sagen, wie hoch der Anspruch auf die Abfindung wäre. Man ging auch nicht sofort zum Arbeitsamt und forderte sein Recht auf Arbeitslosenunterstützung ein. Auch ging man zum Kiosk, kaufte eine Zeitung und suchte sich einen neuen Job. Man war einfach zuversichtlicher und kreativer, schob nicht all die Last der Welt auf andere ab, sondern war selbstbewusst genug, es ohne Hilfe des Staates zu schaffen. Man war eigenverantwortlich! Cafés und Restaurants stellten noch Stühle raus, ohne Sitzplatz-, Markisen- und frische Luft-Steuer zu entrichten. Speisekarten durften noch ohne Bauantrag auf die Tische gestellt werden. Und es bestand noch die Möglichkeit, sein Auto irgendwo abzustellen, ohne Parkschein und ohne Strafzettel am Wischer.

Wie charmant war es doch noch bis vor wenigen Jahren hier auf La Palma, als die Autos noch direkt auf der Straße hielten, um sich kurz die neuesten Nachrichten der Inselwelt zu erzählen. Als „Ausländer“ empfand man das schon ein wenig befremdlich. Wenn man sich aber der Lebensart geöffnet hatte, dann wurde man mit Vielem belohnt.

An den Kassen der Supermärkte wurde ebenso in aller Seelenruhe ein Pläuschlein gehalten, ohne ein Anzeichen hektischer Flecken. Diese Flecken konnte man eher in anderen Gesichtern sehen. Und jetzt wandelt sich der Charakter dieser schönen Inseln auf Grund der Brüsseler Bürokraten.

Was uns erwartet

Man lebt nun hier auf La Palma oder den anderen Kanarischen Inseln und muss miterleben, dass auch hier die Bürokratie, die Wut alles zu reglementieren, platz greift. Blaue Parkzonen werden gepinselt, die Policia Local hat Schreibblöcke bekommen und hält nach Falschparkern Ausschau. Vorbei die Zeiten, in denen ich noch mit einem befreundeten Polizisten in Uniform am Kiosko einen Cortado trinken konnte. Ein Verlust, wenn man ehrlich ist. Die Parkscheinautomaten wollen nicht nur ihr Geld, sie wollen auch gleich das Kennzeichen. Wohl, damit man den vielleicht noch nicht ganz aufgebrauchten Obolus nicht aus Nächstenliebe einem Anderen schenkt.

Man hat hier schnell begriffen, dass mit Strafzetteln und gebührenpflichtigen Verordnungen gut Geld zu verdienen ist. Man beraubt uns so Stück für Stück der Menschlichkeit. Wir hatten Anfang 2000 auf La Palma keinen Blitzer, keinen Radarwagen. Heute kann man sehr wohl beobachten, dass die Geschwindigkeitskontrollen zum Jahresende zunehmen, weil scheinbar das Soll noch nicht erreicht ist. An wirklichem Interesse der Verkehrssicherheit kann es nicht liegen.

Und so wandeln sich mit Riesen Schritten die Gebräuche, die hier über viele Jahrzehnte zum täglichen Bild gehörten. Es ist steriler geworden in den letzten zehn Jahren – leider. Wir haben durchaus ein paar Vorzüge durch die Anbindung an die EU aber im Kern bleibt auch sehr viel auf der Strecke.

Die Gesellschaft hat sich total verderben lassen. Aber was mich daran am allermeisten wundert ist, mit welcher Genügsamkeit wir diese ganzen Drangsalierungen ertragen – wer weiß wie lange noch!

In diesem Sinne bleiben Sie heute mal grantig…

Ihr Jean-Bas

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